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Als er eben damit fertig war, wollte ihm der Wundarzt die gequetschte
Seite einreiben. Blücher fragte, was er da habe? Auf die Antwort,
es seien Spirituosa, versetzte er: „Auswendig hilft das nicht viel. Ich
will dem Ding besser beikommen," ließ sich Champagner bringen, trank
dem Courier zu und rief ihm nach: „Sagen Sie nur Sr. Majestät, ich
hätte kalt nachgetrunken, es würde besser gehen!" Der Tagesbefehl am
folgenden Morgen schließt mit den Worten: „Ich werde Euch wieder
vorwärts gegen den Feind führen. „Wir werden ihn schlagen,
denn wir müssen." Wellington, welcher bei Quatrebras ebenfalls
von Ney war geschlagen worden, fragte an demselben 17ten in der Frühe
an, ob Blücher morgen am 18ten ihn mit zwei Heerestheilen beistehen
könne zu einer Hauptschlacht? „Mit der ganzen Armee!" war Blüchers
Antwort. Und er hielt Wort. Selbst dem abgesonderten preußischen
Armeeeorps unter Thielemann, das bei Wavre, um Blücher von Wel-
lington abzuziehen, von Grouchy mit Uebermacht bedrängt war, versagte
er die wiederholt erbetene Hülse. „Dort bei Wellingtons Heer ist die
Entscheidung!" sprach er, in dem gemeinschaftlichen Kampf stets gleich
treu und neidlos dem verbündeten Heere helfend, wie dem eigenen. Was
Blücher durch diese Gesinnung in den Freiheitskriegen geleistet, liegt vor
Augen. Wer in der Geschichte hundert Schlachten und Feldzüge an ent-
gegengesetzten Eigenschaften der Feldherrn scheitern sah, wird es ganz zu
würdigen verstehen. Aber es schienen die Schwierigkeiten fast unüber-
windlich. Blücher hatte den 17ten ganz im Bette zubringen müssen und
bestieg am 18ten nur mit großen Schmerzen und unter Sorgen der Dei-
nigen das Pferd. Der Weg war für die angegriffenen Truppen weit
und sumpfig. Der Regen goß in Strömen. Aber Blücher ermuthigte,
belebte Alle und trieb auf jede Weise: „Vorwärts, Kinder, vorwärts!"
den Regen nannte er seinen Alliirten von der Katzbach. Er war bald
hier, bald da, wo es stockte, und ermunterte, rieth, befahl. Doch es
ging wegen des entsetzlichen Weges nur schwer und langsam. Schon
hatte man durch einen Umweg wegen eines brennenden Dorfes viele
teit verloren, und beängstigende Nachrichten kamen wiederholt vom
chlachtfelde. Von den in Schlamm und Pfützen nur mühsam fort-
arbeitenden Kriegern aber vernimmt man das Gemurmel: „Es gehe
nicht, es sei unmöglich." Da redet Blücher mit tiefster Kraft: „Kinder
wir müssen vorwärts. Es heißt wohl, es geht nicht! Aber es muß
gehen; ich habe es ja meinem Bruder Wellington versprochen. Hört
ihr wohl? Ihr wollt doch nicht, daß ich wortbrüchig werden soll?"
Und so ging es denn mit allen Waffen unaufhaltsam vorwärts. Ihm
gehorchten die Herzen, das machte Unmögliches möglich. Und es
war Zeit.
Wellingtons Heer hatte von der Uebermacht schon zu viel gelitten
und schien ihr bald weichen zu müssen. Er hatte bereits einzelne Theile
des Schlachtfeldes, den Meierhof La Haye-sainte und das Wäldchen
Hougomont, dem Feinde überlassen. Schon war die Straße nach Brüssel
mit Flüchtigen aus Wellingtons Lager bedeckt. Schon hatte Napoleon
drei Uhr Nachmittags einen Courier nach Paris abgefertigt, daß der
Sieg nicht mehr zweifelhaft sei. Da endlich konnte Blücher mit tüchtiger
Kraft die Feinde im Rücken und an der Seite angreifen. Blüchers
Erstürmung des Dorfes La Haye-sainte entschied die Niederlage. Wel-
lington erklärte in seinem Berichte an seine Regierung: „Ich würde
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Extrahierte Personennamen: Ney Blüchers Thielemann Grouchy Blücher Wellingtons Napoleon Blüchers
Extrahierte Ortsnamen: Wellington Wellington Paris
362
gekommen. Wäre des Königs Absicht gelungen und er nur 2 Stunden
früher auf das Lützner Feld gekommen, so wäre Wallcnsteins zerstreutes
Heer in üble Lage gerathen. Jetzt donnerten die kaiserlichen Signal-
kanonen, um die Heertheile zusammenzurufen, und es blieb eine lange
Nacht übrig, Pappenheim mit den Kürassieren von Halle zu holen. Die
Nacht war schwarz und wollte nicht enden, da am Morgen ein dicker
Nebel Alles bedeckte und den Beginn des Kampfes unmöglich nrachte. —
Der König ward verstimmt. Er ritt umher, um sich zu überzeugen, ob
Alles in Ordnung. Ueber den Koller von Elennshaut trug er einen
grauen Ueberrock. Man bat ihn, wenigstens an solchem Tage einen
Harnisch anzulegen. Er wollte nicht. Im polnischen Kriege' nämlich
hatte er bei Dirschau eine Schußwunde erhalten, und der Harnisch drückte
ihn auf dieser Stelle. „Gott ist mein Harnisch!" erwiderte er. als man
nochmals in ihn drang. — Auch frühstückte er nicht. Die Nacht hatte
er wiederum in einen: Wagen verbracht mit Herzog Bernhard und dem
General Kniephausen. Nüchtern hatte er früh einen weißen Hengst bestie-
gen, und diesen ritt er müde, ehe noch die Schlacht begann. Sein
Gefolge bestand an jenem Tage aus lauter Deutschen: Franz Albert,
Herzog von Sachsen-Lauenburg, die Herren Molch, Kreilsheim, Truchseß
und ein 18jähriger Page, Namens Leubelsingen aus Nürnberg. Andere
nennen noch einen schwedischen Leibsoldaten Erland Lindlöff. — Das
Heer sang zum Morgengebete: „Ein' feste Burg ist unser Gott!" Der
König hielt Anreden an die Truppen, auch an die Deutschen, welche
unter Herzog Bernhard den linken Flügel einnahmen. Es ist bekannt,
daß er vollkommen Deutsch sprach. Dann ritt er am Centrum, an seinen
blauen und grünen Regimentern vorüber nach dem reckten Flügel zurück.
Der weiße Hengst strauchelte, und der König vertauschte ihn mit dem
braunen, welchen er das Jahr vorher bei Breitenfeld geritten hatte. —
Der Nebel wich nicht, man sah nur seinen nächsten Nachbar; Gustav
Adolf selbst begann mit lauter Stimme den Gesang eines Psalms und
darnach eines Liedes, welches er selbst kürzlich gedichtet und das mit den
Worten anhub: „Erschrick nur nicht du kleiner Haufen!" — Das Heer
sah sich nicht, es hörte sich nur, und ein Nachbar mußte es dem andern
sagen, daß Lützen brenne. Wallenstein hatte es anzünden lassen.
Erst um "elf Uhr blitzte ein Sonnenstrahl hernieder, und der Nebel
flog. Die Heere erblickten "sich. Die Landstraße von Lützen nach Leipzig
lag zwischen ihnen. Der Natur einer Straße gemäß war sie etwas höher
gelegen, und Wallenftein hatte sich dahinter festgesetzt, die Gräben ver-
tieft und mit Musketieren angefüllt, deren Feuer die auf dem Blachfelde
heraneilenden Schweden mörderisch empsing. Besonders wurde die Rei-
terei auf des Königs Flügel dadurch aufgehalten. Die farbigen Fuß-
regimenter der schwedischen Mitte rückten mit günstigerem Erfolg vor und
drangen siegreich über die Gräben. Der linke Flügel dagegen unter
Herzog Bernhard ward durch eine kaiserliche Batterie an den Windmüh-
len bedrängt. So blieben also die Flügel der Protestanten zurück, und
der König wollte auf seiner Seite helfen. Auf die kaiserlichen Kürassiere
in dunkeln Rüstungen zeigend sagte er zu Oberst Stalhandske: „Greif sie
an die schwarzen Gesellen; sie werden uns übel bekommen!" und den
Smaländern zurufend: „Folgt mir meine tapfern Burschen!" sprengte er
gestreckten Laufes über den Graben, nicht bemerkend, daß ihm nur einige
Reiter folgen konnten. „Da vor uns steht der gefährlichste Feind!" rief
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Extrahierte Personennamen: Bernhard Franz_Albert Franz Bernhard Gustav
Adolf Gustav Adolf Bernhard Stalhandske
388
Boden zwischen zwei Bächen; eine Brücke oberhalb Görlitz diente zur
Verbindung mit dem Herzoge; den linken Flügel deckten zwei Bataillone
und die Husaren von Werner; vor dem rechten Flügel lag das Dorf
Moys und daneben der Jäckel- oder Holzberg, welchen er mit 2 Grena-
dierbataillonen besetzte, die für ihre Kanonen eine leichte Verschanzung
auswarfen. Die Husaren von Zieten lagerten am Fuße des Berges;
zwischen ihnen und dem rechten Flügel der Hauptstellung stand noch ein
Grenadierbataillon vorgerückt. Die Gärten von Ober-Moys waren
ebenfalls durch ein Grenadierbataillon besetzt. Die Stellung war gut
gewählt, wie der Fürst von Ligne bei spaterer Besichtigung bezeugt.
Andere dagegen tadelten, daß nicht auch die gegenüberliegende Höhe, der
Galgenberg,' von den Preußen besetzt worden. Allerdings waren die
Truppen auf dem Holzberge, mehr als 3000 Schritt von der Haupt-
stellung entfernt, und konnten von dieser aus nicht gehörig unterstützt
werden; allein sie hatten Befehl, bei einem ernstlichen Angriffe sich zurück-
zuziehen. Dieser schien auch kaum zu erwarten, am wenigsten ein Ueber-
fall, da die Posten vorsichtig aufgestellt und mit den besten Truppen ver-
sehen waren.
Ein besonderer Zufall aber warf übermächtig alle diese Annahmen
um. Der österreichische Minister, Graf von Kaunitz, war im Haupt-
quartier des Prinzen Karl von Lothringen eingetroffen, tadelte die Unthä-
tigkeit der Feldherrn, die einen so viel schwächeren Feind vor sich hatten,
und diese beschlossen, die Anwesenheit des Ministers durch irgend eine
Waffenthat auszuzeichnen. Der Angriff sollte gegen Winterfeldt' gerichtet,
und ihm der Holzberg entrissen werden. Schon anr 2. September im
Lager bei Ostritz begannen die Vorbereitungen der Oesterreicher zu diesem
Unternehmen. "Sie setzten zu denr geringen Zweck, einen Vorposten weg-
zunehmen, das ganze Heer in Bewegung. Daun nahm sein Lager am
6. September bei Groß-Schönau, zwischen Bernstadt und Görlitz, um
die Aufmerksamkeit des Herzogs von Bevern zu beschäftigen. Nadasdy
rückte in der Nacht zum 7. September nach Schönbrunn, wo beträcht-
liche Verstärkungen zu ihm stießen; 42 Grenadierkompagnien, bei welchen
auch der Fürst von Ligne sich befand, führte der Herzog von Aremberg
ihm zu, die versammelten Truppen betrugen über 15,000 Mann. rv<
Sie brachen frühmorgens in aller Stille auf, begünstigt von einem
dicken Nebel. Um 7 Uhr Morgens wurden die preußischen Vorposten hin
und wieder angegriffen, doch schien kein rechter Ernst dabei. Winterfeldt
war durch einen Kundschafter von des Feindes Absicht benachrichtigt,
achtete aber wenig darauf, da er seine Anstalten gut in Ordnung wußte;
und weil die Nacht, in welcher der Angriff geschehen sollte, schon vor-
über war, so hielt er die feindlichen Bewegungen, die ihm von seinen
äußersten Posten gemeldet wurden, bloß für solche, wie sie beim Futter-
holen gewöhnlich sind. Da er von dem Herzoge, wegen mancherlei Rück-
sprache, in Görlitz erwartet wurde, so ließ er sich durch die unbedeuten-
den .Plänkeleien nicht stören, sondern ritt in das Hauptquartier. Hier
befand er sich mit einigen Offizieren eben in dem Buchladen von March,
um Landkarten zu kaufen, als ein Adjutant kam und ihm berichtete, der
Feind mehre sich. Winterfeldt setzte sich zum Schreiben hin, und es
kamen wiederholte Meldungen. Noch immer hielt er die Sache für unbe-
deutend; „ich weiß wohl," sagte er, „es sind Kroaten, die uns aus-
kundschaften," und schrieb weiter. Inzwischen hatte Nadasdy seine Trup-
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Extrahierte Personennamen: Werner Graf_von_Kaunitz Karl_von_Lothringen Karl Nadasdy Aremberg Ernst
Extrahierte Ortsnamen: Dorf
Moys Holzberg Galgenberg Holzberg Ostritz Schönbrunn Görlitz March
389
pen, verdeckt durch einen Birkenwald und das Darf Hermsdorf, bis zum
Holzberg herangeführt, den Galgenberg und andere günstige Hohen mit
24 Kanonen besetzen lassen und eröffnete um halb 10 Uhr ein furchtbares
Feuer auf die Grenadiere, weiche den Holzberg besetzt hielten, und auf
die Zietenschen Husaren, die am Fuße desselben lagerten. Als Winter-
feldt Kanonenschüsse vernahm, sprang er auf, rief munter aus: „Aha!
da sind meine Gaste! Nun will ich sie auch bewirthen!" warf sich zu
Pferde, und eilte zu seinen Truppen. Schon hatte das Geschützfeuer
fast eine Stunde gedauert, als die österreichischen Grenadiere in drei
Abtheilungen hervorbrachen und den Holzberg hinanstürmten, wahrend
Schwärme von Kroaten sich ausbreiteten, gegen welche Zieten mit seinen
Husaren in dem durchschnittenen Boden nichts vermochte. Die beiden
Grenadierbataillone auf dem Holzberge wollten ihren Posten nicht ohne
Gefecht verlassen, und ihr anfänglicher Widerstand nöthigte sie zu fort-
gesetztem; sie schlugen zweimal die Stürmenden zurück, allein da Nadasdy
selbst an deren Spitze trat, immer neue Schaaren heranführte, so wurden
jene überwältigt und den Berg hinabgetrieben.
In diesem Augenblicke erschien Winterfeldt mit der Brigade seines
rechten Flügels, welche der General von Kannncher führte, und nahm
das Gefecht auf, sei es, um seine Grenadiere an sich zu ziehen, oder
den verlornen Posten wieder einzunehmen. Bald erkannte er bcn ganzen
Ernst des Kampfes und die große Uebermacht des Feindes; um so wich-
tiger, mochte er denken, sei es für die Ehre der preußischen Waffen, hier
nicht zu weichen und den Muth und die Kühnheit des Feindes wachsen
zu lassen. Er hatte gleich anfangs den Herzog von Bevern benachrich-
tigt und unr Unterstützung ersucht, er sandte in kurzen Zwischenräumen
mehrere Adjutanten, um die Gefahr dringender zu schildern, die Hülfe
schleuniger zu begehren. Allein der Herzog schien nicht sehr bereitwillig,
und seine zögernden Anstalten ließen keine Unterstützung hoffen, die noch
zu rechter Zell erschiene; da Winterfeldt jede Hülfe ausbleiben sah, und
in den zurückgebrachten Antworten wohl gar erkennen mochte. daß ein
ihn betreffender Verlust auf der eignen Seite fast eben so gern wie auf
der feindlichen gesehen würde, so wollte er, durch den Drang unglück-
licher Umstände herausgefordert und auf sich selbst und seinen Helden-
muth zurückgewiesen, seine ganze Kraft versuchen, um der Schadenfreude
ihren Gewinn zu vereiteln.
Er wollte gegen Freund und Feind das Acußerste einsetzen. Voll
Grimm rief er seiner Brigade, den beiden Regimentern Manteuffel und
Treskow, sein muthiges „Vorwärts!" zu, und führte sie gegen den
Holzberg mit kühnster Entschlossenheit an. Zieten wollte den Angriff
abrathen, wurde aber nicht gehört. Die beiden Regimenter erneuten den
Kampf mit glänzender Tapferkeit. „Nie," sagt der Fürst von Ligne,
„sah ich so schöne und brave Leute; Winterfeldt an der Spitze rückte wie
ein Verzweifelter auf uns los." Die Oesterreicher, welche schon den
Berg herabgekommen und unten Stand halten wollten, wurden seitwärts
abgedrängt und die Preußen stürmten die Höhen hinan. Zu gleicher
Zell drangen aber auch wieder die Oesterreicher von der andern Seite
hinauf, oben trafen sie aufeinander, kreuzten die Bajonette, und das
wildeste Handgemenge wogte hin und her. Mittag war schon vorüber,
und das Gefecht wandte sich für die Preußen günstig. Winterfeldt eilte,
nun auch seine Grenadiere wieder zu sammeln und heranzubringen. Da
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen]]
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Extrahierte Personennamen: Nadasdy Ernst Muth Grimm
394
Ein Commandeur fragte bei Friedrich an, ob dielsoldaten schwei-
gen jollten. Der König antwortete: „Nein, laß Er das: mit solchen
Leuten wird Gott mir heute gewiß den Sieg verleihen!"
Jetzt war die preußische Vorhut in die Nahe eines Dorfes gekom-
men, vor dem eine feindliche Reiterlinie sich hinzog. Anfangs glaubte
man, es sei einer der Flügel des österreichischen Heeres, doch überzeugte
man sich bald, daß dies weiter zurück stand. Um indeß ganz sicher zu
gehen, ließ Friedrich die feindliche Reiterei angreifen; sie wurde bald
geworfen und zum großen Theil gefangen genommen. Friedrich ließ die
Gefangenen die Reihen seiner Armee entlang, nach Neumarkt führen,
um durch dies Schauspiel den Muth der Seinen zu erhöhen. Doch
war es fast überflüssig; denn kaum gelang es ihm, die Hitze der
Husaren, die jenen Angriff gemacht hatten und die nun geraden Weges
auf die österreichischen Heermassen einbrechen wollten, in Schranken zu
halten.
Auf einer Höhe angekommen, erblickte Friedrich jetzt die ganze
feindliche Schlachtordnung vor sich, die sich in unermeßlichen Reihen,
über eine Meile lang, seinem Marsche entgegen breitete. Vor ihrer Mitte
lag das Dorf Leuthen. Aus dem Angriff der Preußen auf jene Reiter-
schaar, die vor dem rechten Flügel der Oesterreichs gestanden hatte,
schlossen diese, Friedrich würde sie von dieser Seite angreifen und waren
eiligst auf Verstärkung des rechten Flügels bedacht. Aber Friedrich fand,
daß ein Sturm auf den linken Flügel ungleich größeren Erfolg haben
müsse; er ließ somit seine Armee, die zum Theil durch Hügelreihen gedeckt
ward, im weiten Bogen seitwärts ziehen. Die Oesterreicher bemerkten diese
Bewegung, ohne des Königs Absicht einzusehen; man meinte, er suche
der Schlacht auszuweichen. Feldmarschall Daun sagte zu dem Prinzen
von Lothringen: „Die Leute gehen: man störe sie nicht!"
Um Mittag waren die preußischen Truppen dem linken feindlichen
Flügel in die Flanke gekominen. Um 1 Uhr begann der Angriff. Prinz
Karl hatte die Unvorsichtigkeit begangen, auf diesem Punkte seiner Schlacht-
ordnung minder zuverlässige Truppen — würtembergische und bairische
Hülfsvölker — aufzustellen. Diese waren bald über den Haufen gewor-
fen; in heftiger Flucht drängten sie bis Leuthen zurück, wo sie beinah
von den eigenen Verbündeten mit Kreuzfeuer wären empfangen worden.
Auf die Flucht der Hülfsvölker folgte bald eine gänzliche Verwirrung des
linken Flügels der österreichischen Armee. Die Preußen wandten sich dem
Mitteltreffen der Oesterreicher entgegen. Die Stellung des letzteren wurde
durch das Dorf Leuthen gedeckt, welches breit und ohne einen Eingang
darzubieten, den feindlichen Angriff schwierig machte und aus dessen
geschlossenen Gehöften die Preußen ein scharfes Feuer enipfing. Ein
hartnäckiger Kampf entspann sich. Ein Bataillon des preußischen Garde-
regiments machte einen Angriff auf das Dorf; der Commandeur stutzte,
als er die Schwierigkeit der Lage übersah, er war unentschlossen, was
zu thun sei. Der älteste Hauptmann, von Möllendorf, der nachmalige
berühmte Feldmarschall, rief ihm zu, hier sei nichts zu bedenken, doch
jener konnte zu keinem Entschlüsse kommen. Da sprang Möllendorf rnit
den Worten vor: „Ein andrer Mann her! Leute folgt mir!" Es ging
auf ein versperrtes Thor los. Man stieß und riß die Flügel auf; zehn
Gewehre lagen in Anschlag; der Anführer, an der Spitze eines muthi-
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen]]
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Extrahierte Personennamen: Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Karl Karl
398
mehren und den Schein zu haben, als wollte er bloß sich schirmen und
ihm die Straße nach Schlesien verwehren. Doch beunruhigen seine
leichten Truppen die preußischen Pickets schon in der Nacht' vom 11.;
auch in der folgenden. Um so sicherer war der König. Endlich fällt
der Zauderer mit „glupischem Streiche" auf Friedrichs rechten
Flügel. Schon mit der nächtlichen Finsterniß am 13. brach er in ver-
schiedenen Colonnen nach den Bestimmungsplätzen auf. Die Lagerfeuer
brannten fort, das Fällen der Bäume schallte wie gewöhnlich durch die
Lüfte. Zwei kleine Stunden vor dem Angriff stand der Feind auf Flin-
tenschuß den Vorposten des Königs nahe. Tiefe Sicherheit, ja Sorg-
losigkeit in Friedrichs Lager; kein Mann, der späht und forscht und die
Gefahr bemerkt. Daun, der in geheimnißvoller Stille sich herangeschli-
chen, hat befohlen, daß der rechte Flügel und die Mitte sich des Kampfs
enthalte bis zur Entscheidung auf dem linken Flügel.
In Hochkirch schlägt die Thurmuhr Fünf, die Stunde der Ueber-
raschung. Die feindlichen Colonnen fallen aus der Waldung zwischen
Sornsig und Wuischke in die rechte Flanke des Königs. Es war Mond-
schein; aber der dickste Nebel deckt das Land und legt verderbenvolle
Finsterniß selbst auf die Tritte der mit Bedacht Anrückenden. Es fällt
ein Flintenschuß, — noch zwei: nun hat ein preußischer Posten die
feindliche Colonnenspitze erkannt: Schlachtruf schallt durch Friedrichs
Lager, indeß die Ungarn und Wallonen, lauter Grenadiere, die Höhen
von Hochkirch stürmen und im ersten Augenblicke der Bestürzung alle
preußischen Geschütze nehmen, nicht ohne schweren Kampf. Mit bewun-
dernswerther Schnelligkeit entwickelt der preußische Soldat die Früchte
einer vielgeübten Disciplin und stand, zum Schrecken seiner Feinde, ord-
nungsvoll geschaart, mit Heldenmuth. Blindes Morden in der Finster-
niß, fast ohne Unterschied, ob gegen Eigene oder Fremde. Doch hat
das Glück des ersten Sturms die Verschanzung und die Feuerschlünde in
Dauns Hände gegeben. Nun neuer Kampf um Hochkirch selbst, dessen
- Besitz für den Sieg wie für die Folgen der Niederlage dem König gleich
wichtig war. Keith sollte das Dorf auf's Aeußerste behaupten. Der
edle Marschall war bei den ersten Kanonenschlägen vom Lager aufgestan-
den und auf die Meldung, daß der Posten von Hochkirch überwältigt
werde, dorthin geeilt. Er sammelte die Truppen wieder; verjagte den
Feind; auch er muß weichen; seine Mannschaft schmilzt zusammen; er-
fordert Verstärkung; seine Truppen werden zerstreut, doch sucht er sie
durch eine Trommel wieder zu versammeln — da trifft eine tödtliche
Kugel seine Heldenbrust; er fällt; nur ein englischer Volontair, Thebay
mit Namen, und sein Läufer sind um den Sterbenden; aber der Leichnam
wird zurückgelassen, weil die feindlichen Grenadiere unaufhaltsam vor-
rücken; auch Franz von Braunschweig ist gefallen; Moritz von Anhalt
verwundet und gefangen; dem König ein Pferd gelobtet.
Die Tapferkeit der Preußen dringt auf's Neue durch, und weichet
wieder dem Schicksal und der Ueberzahl des Feindes. Am längsten
währt der fürchterliche Kampf auf dem Kirchhofe von Hochkirch, wel-
chen das zweite Bataillon vom Markgraf Karl unter Anführung des
Majors von Lange und des Lieutenants von Marwitz mit grenzenloser
Hingebung vertheidigte, so daß der Kern der österreichischen Grenadiere
unter seinen Streichen fiel. Friedrich hatte mit königlicher Ruhe die
Schlacht geordnet; er versuchte den letzten Angriff mit sechs tapfern
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TM Hauptwörter (100): [T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T85: [Friedrich Schlacht Heer Sachsen Schlesien Sieg König Böhmen Feind Kaiser]]
TM Hauptwörter (200): [T121: [Feind Reiter Pferd Heer Mann Flucht Lager Soldat Seite Reiterei], T156: [Schlacht Sieg Feind Heer König Mann Kampf Tag Tapferkeit Franzose], T17: [Uhr Feind Truppe General Schlacht Armee Napoleon Kampf Angriff Stellung], T198: [Friedrich Schlacht Heer Schlesien Sachsen Armee Sieg General Mann Feind], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke]]
Extrahierte Personennamen: Friedrichs Friedrichs Friedrichs Heldenmuth Keith Franz_von_Braunschweig Franz Moritz_von_Anhalt Karl Karl Friedrich Friedrich
400
euch ganz fremd sind. Vertrauen auf Gott, Ausdauer, Muth und der
mächtige Beistand unserer Bundesgenossen werden unseren redlichen
Anstrengungen siegreichen Lohn gewähren. Aber welche Opfer auch von
Einzelnen gefordert werden mögen, sie wiegen die heiligen Güter nicht
auf, für die wir sie hingeben, für die wir streiten und siegen müssen,
wenn wir nicht aufhören wollen, Preußen und Deutsche zu sein. Es
ist der letzte entscheidende Kampf, den wir bestehen für unsere Existenz,
unsere Unabhängigkeit, unsern Wohlstand. Keinen andern Ausweg gibt
es, als einen ehrenvollen Frieden oder einen ruhmvollen Untergang.
Auch diesem würdet ihr getrost entgegen gehen um der Ehre willen,
weil ehrlos der Preuße, der Deutsche'nicht zu leben vermag. Allein wir
dürfen mit Zuversicht vertrauen: Gott und unser fester Wille werden
unserer gerechten Sache den Sieg verleihen, mit ihm einen sichern glor-
reichen Frieden und die Wiederkehr einer glücklichen Zeit.
Breslau, 17. März 1813.
128. Napoleon bei Leipzig.
(Am 18. October 1813).
Napoleon hatte sich im Laufe dieses letzten Tages fast iimner bei
einer Windmühle, der sogenannten Tabaksmühle, aufgehalten und von
hier die Schlacht geleitet. Kaltblütig wie immer hatte er seine Befehle
ertheilt. Als der Aampf um Probstheida am heißesten entbrannte, begab
er sich dorthin und nach den vorderen Linien. Er flog an ihnen vorüber
Muth einflößend, füllte mit Verstärkungen die Lücken, und kehrte zu der
Windmühle zurück, dem Könige von Neapel die nähere Leitung über-
lassend. Als er die Nachricht von dem nahen Anmarsche des Nord-
heeres erfuhr und nicht mehr zweifeln konnte, daß dieses noch vor Abend
in den Kampf eingreifen werde, erkannte er die Nothwendigkeit des
Rückzuges. Eine Regung des Edelmuthes für den unglücklichen König
von Sachsen bestimmte ihn, den Herzog von Bassano zu ihm zu senden,
um ihm zu melden, daß der Kaiser den Rückzug beschlossen habe, und
denr Könige zu rathen, schnell mit den verbündeten Fürsten für sich und
sein Land' in Unterhandlung zu treten. Der Rath aber kam zu spät;
denn die Sachsen waren schon zu den Verbündeten übergetreten, und
der unglückliche König hatte beinah nichts mehr zu bieten als seine ein-
zige Person. Als die Nachricht voin Uebertritt der Sachsen und Wür-
temberger bei Napoleon einging, ließ er diese möglichst geheim halten,
sandte die letzte Reserve dorthin, und sprengte persönlich an Ort und
Stelle. Er sprach hier mit Ney und Reynier, machte kur; seine Anord-
nungen und war bald wieder auf seinem alten Standpunkt, da ihm die
Erhaltung seiner dortigen Stellung vor Allem wichtig schien. Er ritt
dann noch einmal zum Könige von Neapel bei Probstheida, unterhielt
sich kurze Zeit abgesondert mit ihm und kehrte von Neuem zu seiner
Windmühle zurück.
Es dunkelte schon, aber das Feuer erstarb erst nach und nach,
als völlige Finsterniß eintrat. Aufs Neue hatte das französische Heer
einen gewaltigen Widerstand geleistet, aber es war auf das Aeußerste
geschwächt und hatte seine letzten Reserven darangesetzt. Mochte der
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Muth Napoleon Napoleon Muth Bassano Napoleon Reynier
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zugreifen. Diese hatten bloß eine starke Nachhut dem Marschall
Ney gegenüber zurückgelassen, die dm Feind verzögerte, doch ohne
.den Angriff selbst abzuwarten, sondern in der Richtung von Brüssel
abzog. Dahin folgte Napoleon mit allen seinen Truppen voll
Eifer und mit größter Anstrengung. Es hatte die Nacht geregnet
und regnete immer fort, der Boden war völlig durchweicht, die
schwarze Erde löste sich in zähe Flüssigkeit auf, und mit unsäg-
lichen Beschwerden kam das Heer auf der schlammigen Straße
und in den alsbald unter den Husen der Pferde grundlos ge-
wordenen Getreidefeldern nur langsam fort. Bei Genappe hielt
die englische Reiterei ernstlich Stand und setzte erst nach hitzigem
Gefecht ihren Rückzug fort. Erst am Abend gelangte der fran-
zösische Vortrab an die englische Stellung von Mont-St. Jean,
die sogleich, aber vergeblich, angegriffen wurde. Die Nacht brach
herein und machte dem Gefecht ein Ende. Furchtbare Regengüsse
strömten diese Nacht vom Himmel; die Truppen litten unbeschreib-
lich, die Tritte versanken in Koth, Geschütz und Wagen schienen
kaum fortzubringen. Am folgenden Morgen, den achzehnten Juni,
waren die Franzosen sehr überrascht, den Feind, welchen sie unter
Begünstigung der Nacht über Brüssel hinaus abgezogen glaubten,
unverrückt in derselben Stellung wie am vorigen Abend vor sich
zu finden. Napoleon mußte bald erkennen, daß Wellington's
ganzes Heer auf der Anhöhe von Mont-St. Jean schlagfertig ihm
gegenüber hielt. Der rechte Flügel, von Lord Hill befebligt, stand
rechts der Straße von Nivelles und erstreckte sich in der Richtung
von Braine la Lende. Die Mitte, unter dem Prinzen von Oranien,
hielt die Strecke zwischen den beiden Straßen von Nivelles und
von Charleroi und, vorwärts dieser Stellung, rechts das Vor-
werk Hougomont in einem Wäldchen und links den Meierhof la
Haye-sainte besetzt. Der linke Flügel, unter dem General Picton,
stand zwischen der Straße von Charleroi und den Dörfern Pape-
lotte und la Haye bis gegen Frichemont. Die Schlachtordnung
war in zwei gedrängten Treffen die Reiterei als drittes Treffen
stand in der Vertiefung, welche sich hinter der Anhöhe hinzog;
Wellington hatte sein Hauptquartier rückwärts in Waterloo, am
Ausgange des Waldes von Soignes. Die sämmtlichen Truppen
betrugen etwa achtundsechzigtausend Mann; mit achtzehntausend
Mann stand der Prinz Friedrich der Niederlande bei Hall, um die
rechte Flanke des Heeres, welche durch eine Scheinbewegung Na-
poleons bedroht war, zu decken.
Napoleon ordnete sein Herr auf der Anhöhe von Bellealliance
zum Angriff. Aber nur mühselig und langsam trafen auf durch-
weichtem Wege und Felde die Truppeil ein; einzelne Regenschauer
fielen noch von Zeit ju Zeit, der Boden erschwerte jeden Fortschritt.
Erst lim Mittag sonnte Napoleon den Befehl geben, zum Angriff
vorzurücken. Der zweite Heertheil, unter dem General Neille,
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Jean Koth Napoleon Jean Lord_Hill Nivelles Friedrich Friedrich Napoleon Napoleon
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wandte sich links, der erste, unter dem General Drouet, rechts, von
Bellealliance gegen die englische Linie andringend; der sechste,
unter dem General Mouton, blieb in der Mitte rückwärts halten,
noch weiter zurück die Garde; die Reiterei war auf beiden Seiten
vertheilt. Zuerst ward links das Vorwerk Hougomont heftig an-
gegriffen, aber nicht minder hartnäckig vertheidigt. Nachmittags
um zwei Uhr wurde auch der Angriff rechts gegen den Meierhof
la Haye-sainte und das Dorf la Haye durch den Marschall Ney
mit stärkstem Nachdruck ausgeführt. Aus letzteren Punkt richtete
Napoleon den Hauptstoß, weil der linse Flügel Wellington's der
schwächere schien, hier die Verbindung mit den Preußen abzu-
schneiden war, und auf dieser Seite auch Grouchy's Streitkräfte
mitwirken konnten. Das Feiler aus dem Geschütz, aus dem Kleiu-
gewehr, die Angriffe mit blanker Waffe wechselten mit immer neuer
Wuth; die Reiterei wogte in stürmenden Angriffen hin und wider
und zerstörte sich gegenseitig in furchtbarem Gemetzel, ohne irgend
einen wesentlichen Erfolg. Dieser Kampf dauerte mehrere Stun-
den; die Fraiizosen fochten mit audriiigeuder Wiith, die Engländer
mit ausdauernder Standhaftigkeit. Endlich wurde der Meierhof
la Haye-sainte den Eugläiideru entrissen, darauf auch das Wäld-
chen von Hvilgomont; allein weiter vorziidriugen war den Fran-
zosen unmöglich. Wellington, sein Heer mehrmals in Gefahr
sehend durchbrochen zu werden, eilte persönlich in das stärkste
Feuer, zeigte sich den Truppen und strengte alle Kräfte an, sich
gegen die Übermacht zu behaupten, bis Blücher mit den Preußen
herankäme und dem Kampf eine eiitscheidev.de Wendung gäbe. Er
wußte, daß Blücher kommen würde, er wußte ihn im Anzüge, die
Vortruppen desselben schon in der Nähe; doch wurde dessen wirk-
liches Eintreffen auch mit jedem Augenblicke nöthiger. Napoleon
entwickelte unaufhörlich neue Streitkräfte, sein Geschütz wirkte ver-
heerend, seine Truppen rückten entbrannt zu neuen Angriffen
vor; die Kräfte Wellington's erschöpften sich. Es war hohe Zeit,
daß Blücher aus dem Kampfplatz erschiene; doch zeigte sich von ihm
noch keine Spur, und die Lage der Dinge wurde jeden Augenblick
bedenklicher.
Blücher war, seinem Versprechen gemäß, am achtzehnten Juni
frühmorgens voll Wavre in zwei Heerzügen aufgebrochen: dereine,
den Heertheil von Ziethen begreifend, zog rechts über Fromant auf
Ohain, dem linkeil Flügel Welliugtou's zu; der andre, aus den
Heertheilen von Bülow und Pirch bestehend, gieng links über
Neuf-Cabarets und St. Lambert dem rechten Flügel Napoleones
in Seite und Rücken ; der dritte Heertbeil, unter Thielemaun, sollte
bei Wavre stehen bleiben und nur, wenn dort kein Feind erschiene,
den übrigen als Unterstützung nachrücken. Blücher hatte den sieb-
zehnten au den Folgen seines Sturzes bei Ligny im Bette zu-
bringen müssen, und am achtzehnten in der Frühe, als er un-
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Napoleon Blücher Bülow Blücher
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mittelbar aus dem Bette wieder aufs Pferd fällte, um mit seinen
Truppen zur neuen Schlacht auszurücken, war man für den übel-
zugerichteten Greis nicht ohne Sorgen; der Wundarzt wollte ihn
noch zu guter letzt einreiben, Blücher aber, als er die Anstalten
sah, versetzte: 'Ach was, noch erst schmieren! Laßt nur sein! Ob
ich heute balsamiert oder unbalsamiert in die andre Welt gehe, das
wird wohl auf eins herauskommen!' erhub sich, ließ sich ankleiden
und setzte sich wohlgemutst zu Pferde, obgleich ihn bei jeder Be-
wegung die gequetschten Glieder schmerzten. Als er sah, wie stark
es geregnet hatte, und daß es noch immer fort regnen würde,
sagte er: 'Das sind unsere Alliierten von der Katzbach, da sparen
wir dem Könige wieder viel Pulver.' Blücher begab sich an die
Spitze des Heertheils von Bülow, der voranzog und zuerst an den
Feind kommen mußte. Er that alles, um den Marsch zu be-
schleunigen; allein schon gleich anfangs wurde derselbe durch ein
zufälliges Hindernis unerwartet aufgehalten: in Wavre entstand
eine Feuersbrunst, welche die Hauptstraße sperrte und die Truppen
zu Unwegen nöthigte, wodurch ein beträchtlicher Zeitverlust ent-
stand. Weiterhin wurde es noch schlimmer, der unaufhörliche
Reger, hatte den Boden ganz durchweicht, die Bäche geschwellt,
jede kleinste Vertiefung mit Wasser gefüllt. Die schmalen Wege
durch Wald und Gebüsch nöthigten zu häufigem Abbrechen der
Glieder. Das Fußvolk und die Reiterei kamen mit Mühe fort;
das Geschütz machte unsägliche Beschwer; der Zng rückte zwar im-
mer vor, aber mit solcher Langsamkeit, daß zu befürchten war, er
werde zur Schlacht viel zu spät eintreffen, und weit über den
Zeitpunkt hinaus, in welchem er für Wellington noch die ver-
sprochene Hülfe sein könne. Offiziere kamen und brachten Nachricht
von dem Gange der Schlacht, von Napoleon's übermächtigem An-
dränge, und wie sehr die Ankunft der Preußen ersehnt werde.
Blücher, in heftigen Sorgen, sein gegebenes Wort nicht zu lösen,
rief sein 'Vorwärts, Kinder, vorwärts!' anfeuernd in die Reihen
der Truppen, überall fördernd flogen seine Blicke und Worte um-
her; wo ein Hindernis entstand, wo eine Stockung sich zeigte,
war er sogleich gegenwärtig: doch alle Anstrengung gab noch im-
mer nur geringe Aussicht, zu rechter Zeit anzulangen. Neuer-
dings trieb er zu doppelter Eile an; die Truppen erlagen fast den
Mühseligkeiten; aus dem Gemurmel der im Schlamm und durch
Pfützen Fortarbeitenden klang es hervor, es gehe nicht, es sei un-
möglich. Da redete Blücher mit tiefster Bewegung und Kraft
seine Krieger an: 'Kinder, wir müssen vorwärts! Es heißt wohl,
es geht nicht; aber es muß gehn, ich hab es ja meinem Bruder
Wellington versprochen! Ich hab es versprochen, hört ihr wohl?
Ihr wollt doch nicht, daß ich wortbrüchig werden soll?' Und so
gieng es denn mit allen Waffen unaufhaltsam vorwärts.
Es war angenommen, die Preußen würden um zwei Uhr
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